Thomas Weibel

Eingereicht am: 24.09.2015

24.09.2015 - 15.3943
Stufe: Nationale Vorstösse
Stand der Beratung: Erledigt

Gemäss der elektronischen Beschaffungsplattform simap.ch lag der Anteil der freihändigen Vergaben des Bundes im Informations- und Telekommunikations-Sektor (ICT) über die letzten 3 Jahre bei 46 Prozent, der Anteil der Nicht-ICT Freihänder lag jedoch nur bei 17 Prozent. Dies betrifft ausschliesslich die publizierten Vergaben über 230 000 Schweizer Franken, alle Freihänder unterhalb des Schwellenwerts und alle nicht publizierten Vergaben sind dabei nicht mit eingerechnet.

Mit anderen Worten wird bei Informatikprojekten der Bundesverwaltung fast jeder zweite Auftrag ohne öffentliche Ausschreibung vergeben, wohingegen bei anderen Aufträgen wie Tunnel- oder Strassenbau eine freihändige Vergabe nur eine Ausnahme darstellt. Letztlich bedeutet dies, dass der Wettbewerb in der Hälfte der Fälle ausgehebelt ist, die Verwaltung nimmt somit in Kauf, zu hohe Preise für die Beschaffung von ICT-Lösungen zu bezahlen. Zudem werden dadurch viele Schweizer Informatik-KMUs bei Bundesaufträgen von Beginn weg ausgeschlossen sind.

Der Bundesrat wird deshalb gebeten, folgende Fragen zu beantworten:

1. Ist er sich dieser hohen Zahlen von freihändigen Vergaben im ICT-Sektor bewusst?

2. Wird dies als Problem für die Verwaltung und für die Wirtschaft anerkannt?

3. Welches sind die Ursachen für die hohe Zahl von nicht öffentlich ausgeschriebenen Aufträgen?

4. Wie beurteilt er die Abhängigkeit des Bundes von Lieferanten in freihändigen Verfahren und gedenkt er etwas gegen diese Abhängigkeit zu unternehmen?

5. Was unternimmt er um die Anzahl Freihänder im ICT-Sektor zu reduzieren?

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 11.11.2015:

1. Der Bundesrat kennt die Entwicklung der verschiedenen Beschaffungsverfahren und Auftragsarten dank der Auswertungen und Analysen des Beschaffungs-controllings (SAP-Vertragsmanagement, SAP-Vergabedokumentation, SAP-Statistik Beschaffungszahlungen).

Bei den Vergaben der zentralen Beschaffungsstelle BBL, die über dem gesetzlichen Schwellenwert von 230 000 Franken lagen, belief sich der Anteil der freihändigen Vergaben im Bereich der zivilen ICT für die Jahre 2012 bis 2014 gemessen am wertmässigen Gesamtvergabevolumen für die drei Jahre auf 18 Prozent. Der überwiegende Teil von 82 Prozent wurde nicht freihändig, sondern im Wettbewerb vergeben.

Der vom Interpellanten erwähnte Wert von 46 Prozent freihändige Vergaben im ICT-Sektor bezieht sich auf die reine Anzahl der auf simap publizierten Zuschläge, eine wertmässige Betrachtung erfolgt nicht.

2. Freihändige Vergaben sind nicht an sich falsch. Sie unterliegen restriktiven Bedingungen, die von der Bundesverwaltung eingehalten werden. Es bestehen überall dort Abhängigkeiten von Lieferanten, wo aus juristischen, technischen oder wirtschaftlichen Gründen nur die Wahl eines bestimmten Anbieters verhältnismässig bzw. möglich ist. Das BBL weist in seinen Weiterbildungen explizit auf Lösungsansätze hin, um den Anteil freihändiger Vergaben weiter zu reduzieren.

3. Der ICT-Bereich ist sehr heterogen. Es existieren unterschiedlichste Technologien nebeneinander. Die technologischen Entwicklungen sind im Verhältnis zu anderen Sektoren extrem schnell, kaum vorhersehbar und bedeutend weniger standardisiert. So können die Leistungen nicht in der gleichen Tiefe wie etwa im Baubereich standardisiert werden. ICT-Aufträge umfassen oft auch sensible bzw. sicherheitskritische Daten, vertrauliche Prozesse, hochtechnologische und vielfältig vernetzte Systeme. Der Anbietermarkt ist aufgrund der fehlenden Fachkräfte und der Sicherheitsanforderungen für die immer zahlreicher werdenden Informatiklösungen oft zu klein bzw. ausgetrocknet. Für die anspruchsvollen ICT-Aufträge der Bundesverwaltung wird es dann schwierig, geeignete Anbieter mit verfügbaren Fachkräften zu finden.

Bei der Beurteilung der wertmässigen Entwicklung der freihändigen Vergaben muss beachtet werden, dass diese wesentlichen Schwankungen ausgesetzt sein kann. Die Planbarkeit ist nicht gegeben, und auch Jahresvergleiche besitzen eine eingeschränkte Aussagekraft. Die sinnvollen und durch das Gesetz restriktiv geregelten Ausnahmebedingungen für Beschaffungen ohne Ausschreibung lassen beispielsweise die Ergänzungsbeschaffungen von zusätzlichen Leistungen unter gewissen Bedingungen (Art. 13 VöB) zu. Freihändige Beschaffungen dieser Kategorien fallen insbesondere bei der Informatik oder im Rüstungsbereich an, da dort systembedingt gewisse technische Abhängigkeiten entstehen können.

4. Die ICT-Beschaffungsstellen der Bundesverwaltung sind bestrebt, die Transparenz und den Wettbewerb bei allen Beschaffungen zu stärken, damit nachhaltige und rechtskonforme Beschaffungen garantiert werden können.

Um Abhängigkeiten von einem Anbieter zu reduzieren, werden beispielsweise, wenn wirtschaftlich vorteilhaft und bezüglich Versorgungssicherheit sinnvoll, Zwei-Produktestrategien bei der Beschaffung von ICT-Gütern umgesetzt.

5. Wie in der Antwort zur Frage 3 dargelegt, handelt es sich beim freihändigen Verfahren um ein im Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen offiziell vorgesehenes Verfahren. Dieses ist aber nur dann anzuwenden, wenn die in der zugehörigen Verordnung festgehaltenen Ausnahmetatbestände erfüllt sind. Die absolute Anzahl an freihändigen Vergaben ist somit weniger bedeutend als die Sicherstellung der Ordnungsmässigkeit der freihändigen Vergaben. Der Bundesrat hat zu diesem Zweck, gestützt auf das Reporting Set Beschaffungscontrolling, u. a. die Dokumentationspflicht für freihändige Vergaben ausgebaut.