Balthasar Glättli

Nationalrat

Eingereicht am: 21.06.2013

21.06.2013 - 13.3628
Stufe: Nationale Vorstösse
Stand der Beratung: Erledigt

Der Bundesrat wird beauftragt, die digitale Nachhaltigkeit bei der Einführung von Software-Lösungen für die Geschäftsverwaltung (GEVER) der Bundesverwaltung (BV) sicher zu stellen. Das heisst u.a.

1. dass die BV vollständigen Zugang zum Quellcode erhält,

2. dass die BV selber oder im Auftrag an Dritte den Quellcode anpassen/weiterentwickeln darf,

3. dass das Urheberrecht von Weiterentwicklungen bei der BV bleibt und diese bei Bedarf die Software an andere Behörden und auch der Öffentlichkeit weitergeben darf.

 

Begründung:

Der Bundesrat hat beschlossen, dass bis Ende 2015 alle Departemente ihren Geschäftsverkehr auf elektronischem Weg abwickeln müssen. Dazu werden GEVER-Lösungen eingesetzt, die die zahlreichen Standards der Bundesverwaltung einhalten. Nachdem 2011 die 8-Millionen-Entwicklung der auf Microsoft Sharepoint basierende Software-Lösung GEVER Office (OXBA) abgebrochen wurde, ist die Produkte-Strategie der Bundesverwaltung bezüglich eingesetzten GEVER Software-Lösungen unklar. Heute werden in der Bundesverwaltung ausserdem Fabasoft, iGEKO und i-Engine auf mehreren Tausend Arbeitsplätzen eingesetzt. Diese drei proprietären Produkte sind im Besitz privater Firmen, die von Abhängigkeiten der öffentlichen Hand profitieren: Erst im Mai 2013 verlängerte die Bundesverwaltung für 9 Millionen Franken Lizenzverträge mit Fabasoft freihändig ohne öffentliche Ausschreibung, weil juristisch und technisch keine alternativen Lösungen und Hersteller in Frage kamen.

Eine bessere Strategie ist nun dringlich: Noch dieses Jahr starten EDA und EFD eine öffentliche Ausschreibung für eine neue GEVER-Lösung. Wie der Bundesrat auf eine Interpellation Graf-Litscher 2011 antwortete, ist eine Ausschreibung nach WTO-Verfahren vorgesehen, die auch Open-Source-Lösungen zulässt.

Für die digitale Nachhaltigkeit der gewählten GEVER-Lösung ist entscheidend, dass die Lizenzbestimmungen erlauben, die Software in beliebigem Masse und unter Einbezug von sowohl internen als auch externen Ressourcen weiterzuentwickeln. Langfristig sollen Entwicklungs- und Wartungskosten mit anderen öffentlichen Stellen geteilt werden. So entstehen keine neuen Abhängigkeiten zu einzelnen Firmen sondern es wächst ein eine aktive Community von Behörden und privaten Anbietern. Open-Source-Lizenzen bilden typischerweise den rechtlichen Rahmen für solche gemeinschaftlich entwickelte Software-Projekte.

 

Stellungnahme des Bundesrates vom 12.02.2014:

Mit der Verabschiedung der „Öffentlich-rechtlichen Rahmenvereinbarung über die E-Government-Zusammenarbeit in der Schweiz (2007-2015)“ hat der Bundesrat die Standards von E-CH (E-CH ist ein von Bund, Kantonen, Gemeinden, Wirtschaft und Wissenschaft getragener Verein) für die Bundesverwaltung als in der Regel verbindlich erklärt. Im Bereich Gever fördern insbesondere die E-CH-Standards E-CH-039, „E-Government-Schnittstelle für Dossiers und Dokumente“, sowie E-CH-0160, „Archivische Ablieferungsschnittstelle“, die Interoperabilität sowohl innerhalb der Bundesverwaltung wie auch zwischen den E-Government-Partnern. Durch die entsprechende Verbesserung der Interoperabilität von Gever-Software wird auch die Austauschbarkeit derselben verbessert sowie die Abhängigkeit von Software-Lieferanten reduziert. Damit wird den Anliegen des Motionärs zu den entsprechenden Teilaspekten der digitalen Nachhaltigkeit bereits seit einigen Jahren Rechnung getragen.

Zu den weiteren Aspekten der digitalen Nachhaltigkeit gehört, dass die Daten über lange Zeit verwendet und die Geschäftsprozesse über lange Zeit unterstützt sowie nachvollzogen werden können. Dabei sind die Lizenzkosten oder andere direkte Kosten von Software, mit welcher die Geschäftsprozesse unterstützt und entsprechende Daten produziert werden, bezüglich des Aspekts Nachhaltigkeit in der Regel weniger entscheidend. Bedeutender sind die langfristigen und indirekten Kosten beim Einsatz der einen oder anderen Software-Lösung und somit die Gesamtwirtschaftlichkeit der elektronischen Geschäftsverwaltung.

Software muss regelmässig gewartet und aktualisiert werden. Durch bundesspezifische Entwicklungen wird oft implizit verhindert, dass der Bund von allgemeinen Weiterentwicklungen einer Software durch den Hersteller direkt profitieren kann (Verlust der Releasefähigkeit). Dies kann die Gesamtwirtschaftlichkeit oder die Sicherheit eines bundesspezifisch entwickelten Systems derart kompromittieren, dass dieses kostenintensiv angepasst oder frühzeitig ersetzt werden muss. Deshalb werden bundesspezifische Weiterentwicklungen von Software in der Regel nur dann in Betracht gezogen, wenn am Markt erhältliche Software-Produkte notwendige Partikularanforderungen der Bundesverwaltung nicht erfüllen.

Ob die Weitergabe von Quellcode zu Partikularanforderungen der Bundesverwaltung für Dritte überhaupt einen Nutzen darstellt, ist grundsätzlich fraglich. Deshalb rechtfertigen sich die Aufwände für Weitergaben nur ausnahmsweise. Im Falle der kürzlich durchgeführten Ausschreibung „Projekt Suchsystem Bund“ wurde ein solcher Nutzen für Dritte vermutet und das Nutzungsrecht für bundesspezifische Funktionserweiterungen sowie der erweiterte Zugang zum entsprechenden Quellcode verlangt. Des Weiteren besitzt die Bundesverwaltung den Quellcode der eingesetzten Software in vielen Fällen, um die Unabhängigkeit in besonderen Situationen (beispielsweise Konkurs eines Software-Lieferanten) sicherzustellen. Die Forderung nach Zugang zum Quellcode ist in diesem Sinne und Umfang also heute bereits erfüllt.

Der Bundesrat hat am 13. November 2013 entschieden, dass die Bundeskanzlei zwei bundesweit standardisierte Gever-Produkte in einer WTO-Ausschreibung gemeinsam beschafft. Der Bundesrat wird zudem eine angemessene, einheitliche Übergangsfrist (zwischen 2018 und 2022) für die Einführung dieser standardisierten Produkte festlegen. Des Weiteren wurde das ISB beauftragt, die IKT-Teilstrategie zu Gever bis Ende 2014 zu erneuern. Diesen Entscheiden liegen umfassende Überlegungen zugrunde, welche insbesondere die Aspekte der Interoperabilität sowie der Kosten und Risiken für die Nutzung und Weiterentwicklung von Gever-Lösungen berücksichtigen. Der Umfang der Nachhaltigkeit der Gever-Lösungen des Bundes wird im Rahmen der Vorbereitung der anstehenden WTO-Ausschreibung geprüft und durch Lizenz- und Wartungsverträge sichergestellt. Durch diese Massnahmen wird den entsprechenden Anliegen des Motionärs Rechnung getragen.

 

Antrag des Bundesrates vom 12.02.2014:

Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.